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2019  Zeichen der Erinnerung an die Verdinginder und die Opfer von fürsorgerischen Massnahmen in der Schweiz


Vorwort      Projektbeschreibung     Abbildung 1      Abbildung 2      Situationsplan      Isometrie 1      Plan 1      Inschriften     Isometrie 2


PROJEKT FÜR EIN "ZEICHEN DER ERINNERUNG"

Beschreibung

DAS DACH ÜBER DEM KOPF
Menschen wünschen sich für ihren Lebensort Sicherheit, Geborgenheit und Zugehörigkeit. Ein solcher blieb Verdingkindern und Opfern fürsorgerischer Zwangs-massnahmen verwehrt. Das Dach zeigt einen anderen Weg, wie er auch hätte sein können. Vielleicht gerät es zum schützenden Dach über zukünftige Bemühungen und Verbesserungen im gesellschaftlichen Zusam-menleben von Stärkeren und Schwächeren, Privi-legierten und Benachteiligten. Versöhnlich wirkt auch die grosse Buche, die ihre Äste schützend über der Skulptur ausbreitet.

RAD
Das Rad ist eine Metapher für den Lebenslauf schlechthin. Durch seine Position in der Skulptur steht es auch für Trennendes. Eine Kreisscheibe mitten durch ein Haus oder durch ein Leben. Eine unfreiwillige Trennung von der Familie oder von der gewohnten Umgebung, erfahren die meisten Menschen als traumatisch. Der Weg von Verdingkindern oder Opfern von fürsorg
-erischen Zwangsmassnahmen gleicht oft einer Abfolge von Trennungen und Verlusten. Vieles ist nachzulesen in Foren des Internets. Und erschreckend ist, wie ähnlich sich die Lebenswege sind. Nicht von Ungefähr kommt die sprachliche Wendung, dass man „in einer Mühle ist“, auch der Begriff „Amtsmühle“ ist assoziierbar.
Betrachter und Benutzer der Skulptur bekommen mit dem Rad etwas in die Hand, das sich bewegen, drehen, anhalten lässt. Symbolisch kann den Opfern in dieser Weise etwas zurückgegeben werden.

Für gesellschaftliche Entwicklungen sind wir mitver
-antwortlich. Kritische Fragen und womöglich auch Handlungsbedarf stellen sich auch heute. Die Interaktion mit dem Rad assoziiert an die Eigenverantwortlichkeit.

HAUS - ZUHAUSE
Die Angst vor einer Trennung ist eine Urangst von Kindern und Erwachsenen. Auf einmal nicht mehr nach Hause gehen zu dürfen. An einen anderen Ort versetzt werden. Keinen Boden unter den Füssen haben.
Bäume haben Wurzeln, Häuser ein Fundament. In der Skulptur sind es eingravierte Internetadressen, die zu den Betroffenen führen. Was geschehen ist, wiegt schwer, das wird klar, wenn man sich kundig macht.


INSCHRIFT
"Der Runde Tisch wurde im Juni 2013 von Bundesrätin Simonetta Sommaruga eingesetzt. Der Runde Tisch hatte den Auftrag, eine umfassende Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremd
-platzierungen vor 1981 vorzubereiten und in die Wege zu leiten.“ (Homepage Bundesamt für Justiz).
Die umfassende Aufarbeitung ist der ausdrückliche Wunsch des „Runden Tisches.“ Das soll auch für den Erinnerungsort gelten. Biografien und Schilderungen von Betroffenen sind dabei evident. Man findet sie vielfach im Internet. Die eingravierten Adressen sind eine Auswahl und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.






vincenzo baviera: schaffhausen 2019: zeichen der erinnerung




vincenzo baviera: schaffhausen 2019: zeichen der erinnerung




BAUM
Den Menschen ihre Würde geben. Die prächtigen Buchen strahlen diese Würde aus. Die Skulptur mit ihrer schlanken und aufragenden Form wird Teil der Baumgruppe

EISEN – LEBEN – KÄLTE
Eisen wird aus dem Boden gewonnen. Bis zum brauchbaren Wertstoff durchläuft es eine Reihe von Prozessen. Sehr wichtig dabei ist das Feuer. Dessen Energie steckt noch im fertigen Objekt, wo sie durch den langsamen Prozess der Oxidation wieder abgebaut wird. Eisen taugt durchaus als Metapher für Leben
Eisen fühlt sich kalt an. Auch die Assoziation zu Kälte stimmt. Und Kälte ist wohl jenes Gefühl, das Verdingkindern und Opfern fürsorgerischer Zwangs-massnahmen in hohem Mass entgegengebracht wurde. Wie man heute aus gesicherten Quellen weiss und was man damals mindestens gefühlsmässig schon wissen konnte: Für Kinder ist emotionale Kälte lebens-bedrohlich. Und wie Biografien von Überlebenden zeigen, wiegt sie zeitlebens schwer.

WEGE DIE KREUZEN
In jedem Menschenleben gibt es Kreuzungen als schicksalshafte Wendungen oder Orte der Entscheidung. Als Beispiel nenne ich die Berufswahl. Verdingkinder haben oft eine schwierige und schmer-zhafte Lernbiografie. Selten wurden sie gefragt, was aus ihnen werden soll. Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen hatten meist keine Gelegenheit, um sich über ihre Interessen und Begabungen klarzuwerden. Oft mit der fatalen Auswirk-ung, dass die Betroffenen auch selber an ihre Abwertung glaubten. Die Platzierung der Skulptur auf dem Kreuzweg gibt ihnen wenigstens symbolisch die Möglichkeit von Entscheidungen zurück.











AUSFÜHRUNG

Material: INP 220: 220/98 mm, Oberfläche: Walzhaut / Zunder.
Basis: Eisenplatte, 8mm unterfangen mit Winkelstahl rund, ungleichschenklig 220/98 mm: Oberfläche: Walzhaut / Zunder.
Achse: Rundstahl, unbehandelt
Lager: Pendelkugellager: geringe Abweichungen der Achsrichtung werden ausgeglichen.
Rad: Eisen, Laserschnitt. S 20 mm, Oberfläche unbehandelt.
Verankerung: Zur Schonung der Baumwurzeln kommen Bodenanker zur Anwendung. Eindrehtiefe ca. 900 mm.
Gewicht. Ca. 1'000 Kg